Kategorie-Archiv: Online Marketing

Tante Emma als Big Brother

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Die apokalyptischen Visionen der Vergangenheit handelten von tyrannischen Staaten, in denen eine kleine Oberschicht die Massen drangsaliert. Dabei half den Tyrannen die totale Überwachung. Der Gedanke an Privatspähre war in diesen Visionen gleichbedeutend mit Staatsverbrechen.

Aber in unserer Welt kämpfen nicht nur die Staaten um die letzten Fetzen einer immer wieder durchlöcherten Privatsphäre. Sie erhalten Konkurrenz von mächtigen Konzernen die Weltweit alles tuen, um jeden und alles wirtschaftlich auszubeuten. Und das geht am besten, in dem man jeden und alles genau kennt. Deren Bedürfnisse, deren Wünsche und Gewohnheiten.

Demnächst läuft wieder die DMEXCO. Eine Messe unauffälliger Firmen, deren Firmennamen so abstrakt und nichtssagend sind, die klein und unscheinbar wirken, dass sie fast niedlich einher kommen. Daneben wird auf der Messe wie in den vergangen Jahren wieder zu beobachten sein, dass trotz der Unterschiede im Design des Logos, des Namens der Firma und vor allem der Produktbeschreibungen alle das gleiche machen, anbieten und wollen. Und das ist neben dem Marketing im Internet das TargetingBehavioral Targeting, Retargeting und welche Silben und Wörter vor oder vielleicht hinter „targeting“ setzen läßt.

Und wer ist das Target? Ich, Du, Wir. Unser Verhalten im Internet kann gemessen und verkauft werden. Und wer braucht das? Die Werbewirtschaft. Denn durch die Seiten die wir ansurfen geben wir auch etwas vom dem Preis, was uns interessiert. Im kleinen kennen wir das von eBay oder Amazon. Jede Versteigerung, die wir uns auf eBay ansehen führt dazu, dass wir bei unserem nächsten Seitenbesuch auf eBay ähnliche Versteigerungen vorgeschlagen bekommen. Bei Amazon läuft das dann etwas intelligenter. Ich bekomme nach jedem Buchkauf die Bücher angezeigt, die sich andere Käufer dieses Buches auch gekauft haben. Bei meinem nächsten Besuch erhalte ich dann eine Ansicht der aus Sicht von Amazon für mich interessanten Bücher, errechnet aus meinem Verhalten, dem Verhalten von anderen Amazon-Usern.

Nun geht die nächste Stufe darüber hinaus. Nicht nur einzelne Seiten sammeln Daten um ihr eigenes Angebot zu verbessern, sprich die Verkäufe an mich, dem Nutzer zu steigern. Jetzt geht es darum, dass alle meine Aktivitäten im Internet unabhängig von der einzelnen Seite verfolgt werden. Bei Zalando Schuhe gekauft und schon gewundert, warum Spiegel Online gepflastert ist mit Bannern von Zalando-Sonderangeboten…

Und die, die solche Daten sammeln, verkaufen diese meistbietend an denjenigen, der zu zahlen bereit ist. Was erhält er dafür? Im Moment die Möglichkeit Werbung einzublenden. Klingt erstmal unspektakulär. Aber was, wenn die gekauften Daten erfolgreich zum Kauf führen? Dann sind die bisher her nur anonymen Daten mit einem Käufer verbunden. Dh. wenn die Werbung erfolgreich zum Kauf führt, kann den Daten, denen bisher der Name und die Adresse fehlt, auf einmal ein solcher zugewiesen werden. Und das nicht nur in der Vergangenheit – sondern auch bei allen zukünftigen Aktivitäten.

Damit gehört diesen kleinen Firmen auf der DMEXCO demnächst ein wahrer Datenschatz. Der von niemand so recht kontrolliert wird. Heute wollen die Staaten auch an unsere Daten – aber in den meisten davon, kann man dagegen klagen, demonstrieren oder die Regierungen entsprechend abwählen. Bei den Unternehmen ist das leider nicht möglich.

Und die suchen nun nach einem guten „Geschäftsmodell“, wie aus diesen Daten Geld zu machen ist. Eigentlich gehören die Daten noch nicht mal diesen Firmen, sondern uns. Den Internetusern. Aber leider ist es hier, wie bei der Organspende. Wir wissen nicht, wer die Spende bekommt, wer daran verdient. Und nur eins ist sicher: der Spender bekommt nichts – im Gegenteil. Wie bei einer Organspende, spenden wir auch etwas: unsere Privatsphäre. Und ob uns das gefällt, was wir davon haben, ist eher ungewiss. Was, wenn statt gestohlender Steuer-CDs aus der Schweiz, DVDs solcher Benutzerprofile verkauft werden?