Archiv für den Monat: Februar 2014

Das agile Versprechen und die Missverständnisse darum

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Immer wieder wird die Idee der Agilität und ihrer Vorzüge für große Unternehmen in den Fokus der Ideen gerückt. Dabei werden immer wieder die erfolgreichen Projekte vorgestellt, die mittels Agilität so viel erreicht haben, und die gescheiterten Wasserfallprojekte auf ihre Schwächen reduziert gegenüber gestellt.

Aber keiner stellt sich die folgenden Fragen:

1. Warum wählen die Beteiligten, obwohl sie durch die Diskussion um die Agilität längst um Ihre Alternativen wissen müssten, immer wieder den „falschen“ Weg?

2. Decken agile Vorgehensweisen wirklich das ganze Projekt – also alle für ein Projekt erforderlichen Phasen und Aktivitäten ab?

Die erste Frage ist einfacher zu beantworten, als es zuerst scheint: die Entscheider für solche Projekte versuchen vor dem Start Informationen zu bekommen, die Ihnen die die Frage nach dem Nutzen und der Höhe des Nutzes beantworten. Keine agile Vorgehensweise kann einem die Kosten für die Umsetzung eines Vorhabens im Vorfeld liefern – höchstens  eine unverbindliche und ungenaue Schätzung.

Aber selbst wenn das Projekt nicht vollständig in Frage gestellt wird, wird doch der Aufwand für die Umsetzung von Features von dem Aufwand abhängig gemacht, die diese erzeugen. Auch hierzu geben die agilen Vorgehensweisen nur dann Auskunft, wenn sich die Featurewünsche in der Größenordnung eines Sprints bewegen.

Je größer die Organisation, desto risikoaverser ist sie. Hierfür bieten die agilen Vorgehensweisen keine hinreichenden Lösungen.

Nicht falsch verstehen: Wasserfallmodelle helfen nur wenig mehr. Aber die Lösung, die diese Vorgehensweisen anbieten, sind nachvollziehbarer in dem Entscheidungsumfeld, in dem diese genutzt werden.

Aber selbst, wenn das alles keine Rolle spielt, was den wichtigsten Unterschied ausmacht, ist die Art und Weise, wie agile Projekte laufen. Die Entscheidung über die umzusetzenden Features macht das SCRUM Team und das anhand des Backlog. In größeren Organisationen kommen solche Entscheidungen nicht aus dem Team sondern vom Management – oft auch gegen den Wunsch des Teams.

Die zweite Frage ist komplexer. Was viele nicht verstehen am agilen Vorgehen ist, dass diese Erfahrungen im klassischen Projektmanagement voraussetzen. Um den Gewinn aus der nicht überbordenden Dokumentation und Erstarrung in Prozessen zu holen, braucht es Menschen, die die Erfahrung haben. Denn was die SCRUM Apologeten immer wieder vergessen: SCRUM ist die Königsklasse der Vorgehensweisen für Entwicklungsprojekte – ohne Erfahrungen in der klassischen Disziplin braucht es sehr viel Training, bis es funktioniert.

Die agilen Idealisten sind auch so tief in das eigene Vorgehen drin, dass sie einen wichtigen Punkt übersehen: die Vorgehensweisen helfen nicht in der Phase der Ideenfindung und der Analyse. Diese Phasen sind sehr wichtig für die Formung von Anforderungen und Ableitungen von Konzepten für die Architektur.

Immer dort, wo agile Vorgehensweisen erfolgreich eingesetzt werden, gibt es ein paar Eigenschaften, die nicht in immer anzutreffen sind:

  • Die Projektbeteiligten arbeiten an einem Produkt das den Hauptgeschäftszweck für deren Firma darstellt.
  • Die Projektbeteiligten arbeiten alle im und kommen aus dem IT Umfeld. Wir hören sehr wenig von agilen Projekten im Bauwesen.
  • Die Projektbeteiligten sind direkt beteiligt und betroffen vom Ergebnis ihres Projektes.

Ein großer Teil der Projekte spielt sich aber in Konzernen ab, die IT nur als eine Querschnittsfunktion betrachten und für die Umsetzung auf Dritte setzen.  Und wie durch ein Wunder sind das auch die Projekte, die immer wieder in die Schlagzeilen kommen.

Alle anderen Argumente zum Vergleich Wasserfall und agile Vorgehensweisen sind ausgetauscht, und brauchen nicht mehr wiederholt werden.

Kategorie: Internet, SCRUM | Tags: ,

Selbstanzeige… ein Weg Gerichte zu entlasten.

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Alice Schwarzer: Schluss mit Verjährung bei Selbstanzeige – SPIEGEL ONLINE.

Eigentlich ist die Selbstanzeige ja sowas wie die Beichte. Bei der Beichte erwirkt man ja auch höheren Ortes Vergebung für begangene Sünden. Und wer ehrlich sühnt, dem wird auch die Sünde vergeben.

Wenn man Steuern hinterzieht, sich von Ermittlungen oder gar gekauften Steuer-CDs bedroht sieht, kann man sich selbst anzeigen . Ist aber nicht so teuer, wie man glaubt, denn man erlangt Vergebung für alle Sünden, sühnen muss man jedoch nur die nicht verjährten.

Wenn der Staat an der Steuerfahndung spart erfolgt so die Quittung.

Aber eigentlich ist es interessant, dass es mit der Steuerhinterziehung einer Straftat gibt, der man sich mit einer Anzeige entziehen kann. Der Staat verzichtet dann großmütig auf die weitere Strafverfolgung.

Wenn das so ein Erfolgsmodell ist, warum wird dann nicht auch die Selbstanzeige für Diebe eingeführt. Im Gegenzug könnte die Polizei personell ausgedünnt werden und damit würden zumindest nicht nicht bereits verjährten Diebstähle wieder behoben. Der Rest ist eh verjährt und vergessen und die Verfolgung dieser Straftaten kostet ja mehr als sie nützt – dem Staat nützt. Also dem Gemeinwohl. Und wo wir gleich dabei sind, warum nicht auch die Selbstanzeige für Betrüger, Hooligans in Fußballstadien? Man könnte sich eine Menge Polizei sparen. Aber was, wenn die Betrüger und Hooligans sich nicht selbstanzeigen wollen? Naja, wie bei der Steuerfahndung stellt man die Suche trotzdem ein. Kostet nur Geld und für das Gemeinwohl ist auch nichts zu holen.

Jetzt könnte man noch die Frage nach der Gerechtigkeit stellen: ist es Gerecht, wenn man sich durch Selbstanzeige der Strafe entziehen kann. Offenbar schon, denn für Steuerhinterzieher gilt das. Warum sollte ein Kleinkrimineller anders behandelt werden?

Dreht Ihnen sich beim Lesen der Magen um? Dann nur, weil Sie ihr Gerechtigkeitsempfinden noch nicht richtig justiert haben, bzw. justiziert haben.

Wer für Selbstanzeigen plädiert, sollte sich nicht wundern, dass der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Die Pflicht, Steuern zu zahlen stellt sowas wie die Grundvoraussetzung dar, am Rechtssystem, den Leistungen und dem Schutz des Staates teilzuhaben. Und den kleineren Steuerzahlern wird durch direkte Abbuchung auch sehr klar gemacht, dass dies nicht Optional ist. Je größer die Steuerschuld umso mehr scheint eben jene Leistungspflicht sich zu einer freiwillig Sonderleistung zu wandeln. Und diese Sonderleistung muss nur im Notfall gezahlt werden. Und dieser tritt, dafür sorgt eine starke Lobby, selten ein.

Wenn Bürger eines Staates keine Steuern zahlen, sollten sie sich auch nicht auf deren Leistungen verlassen dürfen. So wie der Staat auf die Strafverfolgung verzichtet, sollte er auch auf Leistung gegenüber Steuerbetrügern verzichten. Keine Möglichkeit die Polizei um Hilfe zu rufen, das Haus von der Feuerwehr löschen zu lassen, die Unterstützung der Gerichte bei der Einforderung des eigenen Rechtes. Und natürlich das Wahlrecht. Die Inanspruchnahme von Sozialleistungen aus Steuermitteln ist ebenso tabu. Damit wäre Umverteilung doch wieder etwas einfacher.

Aber der Steuerbetrüger läuft ja nicht offen herum. Also, er gibt es ja nicht offen zu. Und die Selbstanzeige wird ja mit der Leistung der nicht verjährten Steuerschuld, die hinterzogen wurde, begleitet. Der reuige Sünder will ja wieder heim in den Schoß des Staates. Und der muss dann sehen, wo das nicht gezahlte Steuersoll her kommen muss.

Sowas ist schreiende Ungerechtigkeit. Bescheiss eine Bank um 10.000 EURO und Du gehst in den Bau. Bescheiss den Staat um 10.000 EURO, warte lange genug, gestehe und nichts passiert. Und das nie wieder. Wenn Du nach dreißig Jahren deinen Bankraub gestehst, wirst Du bis auf die Socken ausgezogen, damit die Bank ihr Geld zurückerhält. Der Staat kann großzügig darauf verzichten.

Sowas darf es nicht geben. Jede Straftat zieht Strafe nach sich. Geschicktes agieren darf weder zur Vermeidung von Strafverfolgung führen noch den Täter besser stellen als in anderen der Strafverfolgung unterliegenden Tatbeständen. Noch so ein Ding. Die gesparte Steuer in einen Anwalt zu investieren führt zu noch höherer Rendite für den Steuersparer.

Und der Gipfel: diese Steuersparer spielen sich als Moralapostel für gutes Miteinander auf. Damit nicht genug, dass sie sich eigentlich aus dem Rechtssystem, wie wir es kennen, klammheimlich verdrücken, wenn es darum geht den eigenen Beitrag zu leisten, lassen sie es nicht an der Ermahnung der anderen fehlen, sich doch bitte schön so zu verhalten, wie man es von anderen erwartet. Was erwartet der Steuerhinterzieher eigentlich? Das alle die Steuern hinterziehen und am Ende keiner mehr zahlt? Nein. Er geht nur davon aus, klüger zu sein, als die Steuerschafe. Der Steuerhinterzieher, oder SteuerhinterzieherIn ist der Wolf oder die WölfIn der Gesellschaft. Und dann natürlich hat man auch noch die Aufgabe, die restlichen Schafe zu reissen und zu belehren über die Pflichten des Schafes.

Nee. So gesehen betrügt sich der Staat selbst, der auf dem Konsens aller Bürger fußt, sich mit der Verfassung eine gemeinsame und für alle gleich geltende Ordnung geschaffen zu haben. Und dann führt er Regeln ein, die diesen Konsens bedrohen, indem er Straftaten so unterschiedlich ahndet? Das muss weg.

Was ist mit den entdeckten Steuerhinterziehern? Nun. Würde man einem geständigen Vergewaltiger die Haft ersparen, wenn er der Geschändeten die zerrissenen Klamotten neu kauft, Frau Schwarzer?

 

 

Kategorie: Gesellschaft