Archiv für den Tag: 4. Februar 2014

Selbstanzeige… ein Weg Gerichte zu entlasten.

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Alice Schwarzer: Schluss mit Verjährung bei Selbstanzeige – SPIEGEL ONLINE.

Eigentlich ist die Selbstanzeige ja sowas wie die Beichte. Bei der Beichte erwirkt man ja auch höheren Ortes Vergebung für begangene Sünden. Und wer ehrlich sühnt, dem wird auch die Sünde vergeben.

Wenn man Steuern hinterzieht, sich von Ermittlungen oder gar gekauften Steuer-CDs bedroht sieht, kann man sich selbst anzeigen . Ist aber nicht so teuer, wie man glaubt, denn man erlangt Vergebung für alle Sünden, sühnen muss man jedoch nur die nicht verjährten.

Wenn der Staat an der Steuerfahndung spart erfolgt so die Quittung.

Aber eigentlich ist es interessant, dass es mit der Steuerhinterziehung einer Straftat gibt, der man sich mit einer Anzeige entziehen kann. Der Staat verzichtet dann großmütig auf die weitere Strafverfolgung.

Wenn das so ein Erfolgsmodell ist, warum wird dann nicht auch die Selbstanzeige für Diebe eingeführt. Im Gegenzug könnte die Polizei personell ausgedünnt werden und damit würden zumindest nicht nicht bereits verjährten Diebstähle wieder behoben. Der Rest ist eh verjährt und vergessen und die Verfolgung dieser Straftaten kostet ja mehr als sie nützt – dem Staat nützt. Also dem Gemeinwohl. Und wo wir gleich dabei sind, warum nicht auch die Selbstanzeige für Betrüger, Hooligans in Fußballstadien? Man könnte sich eine Menge Polizei sparen. Aber was, wenn die Betrüger und Hooligans sich nicht selbstanzeigen wollen? Naja, wie bei der Steuerfahndung stellt man die Suche trotzdem ein. Kostet nur Geld und für das Gemeinwohl ist auch nichts zu holen.

Jetzt könnte man noch die Frage nach der Gerechtigkeit stellen: ist es Gerecht, wenn man sich durch Selbstanzeige der Strafe entziehen kann. Offenbar schon, denn für Steuerhinterzieher gilt das. Warum sollte ein Kleinkrimineller anders behandelt werden?

Dreht Ihnen sich beim Lesen der Magen um? Dann nur, weil Sie ihr Gerechtigkeitsempfinden noch nicht richtig justiert haben, bzw. justiziert haben.

Wer für Selbstanzeigen plädiert, sollte sich nicht wundern, dass der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Die Pflicht, Steuern zu zahlen stellt sowas wie die Grundvoraussetzung dar, am Rechtssystem, den Leistungen und dem Schutz des Staates teilzuhaben. Und den kleineren Steuerzahlern wird durch direkte Abbuchung auch sehr klar gemacht, dass dies nicht Optional ist. Je größer die Steuerschuld umso mehr scheint eben jene Leistungspflicht sich zu einer freiwillig Sonderleistung zu wandeln. Und diese Sonderleistung muss nur im Notfall gezahlt werden. Und dieser tritt, dafür sorgt eine starke Lobby, selten ein.

Wenn Bürger eines Staates keine Steuern zahlen, sollten sie sich auch nicht auf deren Leistungen verlassen dürfen. So wie der Staat auf die Strafverfolgung verzichtet, sollte er auch auf Leistung gegenüber Steuerbetrügern verzichten. Keine Möglichkeit die Polizei um Hilfe zu rufen, das Haus von der Feuerwehr löschen zu lassen, die Unterstützung der Gerichte bei der Einforderung des eigenen Rechtes. Und natürlich das Wahlrecht. Die Inanspruchnahme von Sozialleistungen aus Steuermitteln ist ebenso tabu. Damit wäre Umverteilung doch wieder etwas einfacher.

Aber der Steuerbetrüger läuft ja nicht offen herum. Also, er gibt es ja nicht offen zu. Und die Selbstanzeige wird ja mit der Leistung der nicht verjährten Steuerschuld, die hinterzogen wurde, begleitet. Der reuige Sünder will ja wieder heim in den Schoß des Staates. Und der muss dann sehen, wo das nicht gezahlte Steuersoll her kommen muss.

Sowas ist schreiende Ungerechtigkeit. Bescheiss eine Bank um 10.000 EURO und Du gehst in den Bau. Bescheiss den Staat um 10.000 EURO, warte lange genug, gestehe und nichts passiert. Und das nie wieder. Wenn Du nach dreißig Jahren deinen Bankraub gestehst, wirst Du bis auf die Socken ausgezogen, damit die Bank ihr Geld zurückerhält. Der Staat kann großzügig darauf verzichten.

Sowas darf es nicht geben. Jede Straftat zieht Strafe nach sich. Geschicktes agieren darf weder zur Vermeidung von Strafverfolgung führen noch den Täter besser stellen als in anderen der Strafverfolgung unterliegenden Tatbeständen. Noch so ein Ding. Die gesparte Steuer in einen Anwalt zu investieren führt zu noch höherer Rendite für den Steuersparer.

Und der Gipfel: diese Steuersparer spielen sich als Moralapostel für gutes Miteinander auf. Damit nicht genug, dass sie sich eigentlich aus dem Rechtssystem, wie wir es kennen, klammheimlich verdrücken, wenn es darum geht den eigenen Beitrag zu leisten, lassen sie es nicht an der Ermahnung der anderen fehlen, sich doch bitte schön so zu verhalten, wie man es von anderen erwartet. Was erwartet der Steuerhinterzieher eigentlich? Das alle die Steuern hinterziehen und am Ende keiner mehr zahlt? Nein. Er geht nur davon aus, klüger zu sein, als die Steuerschafe. Der Steuerhinterzieher, oder SteuerhinterzieherIn ist der Wolf oder die WölfIn der Gesellschaft. Und dann natürlich hat man auch noch die Aufgabe, die restlichen Schafe zu reissen und zu belehren über die Pflichten des Schafes.

Nee. So gesehen betrügt sich der Staat selbst, der auf dem Konsens aller Bürger fußt, sich mit der Verfassung eine gemeinsame und für alle gleich geltende Ordnung geschaffen zu haben. Und dann führt er Regeln ein, die diesen Konsens bedrohen, indem er Straftaten so unterschiedlich ahndet? Das muss weg.

Was ist mit den entdeckten Steuerhinterziehern? Nun. Würde man einem geständigen Vergewaltiger die Haft ersparen, wenn er der Geschändeten die zerrissenen Klamotten neu kauft, Frau Schwarzer?

 

 

Kategorie: Gesellschaft