Jeden Sonntag gönne ich mir das neudeutsche „Second Screen“-Erlebnis.
Tatort hat eine feste Twitter-Fangemeinde, die sich sehr kritisch mit jeder Wendung der Handlung und allem drumherum eines jeden Tatorts auseinander setzt. Das hat manchmal Witz, ist oft profan und gibt aber zuverlässig die Einstellung wieder, die die reine Einschaltquote nicht wiedergibt.
Gestern hat nun Till Schweiger seinen ersten Tatort geliefert. Und das nicht mal schlecht: es ging actionreich zu, war ein wenig selbstironisch und bis auf eine sehr unglaubwürdig in Szene gesetzte Staatsanwältin, hielten sich die anderen Kreativitäten der Drehbuchschreiber im Rahmen der gängigen Klischees und Formen der aktuellen Krimi-Kunst. Vergleiche mit „Die Hard“ kamen öfter, sind aber falsch: „Die Hard“ war eine auf Spannung und Action ausgelegte Materialschlacht. Tatort will aber mehr: intelligente, knifflige Ermittlerarbeit (zum Mitgrübeln), sozialkritische Realitätsaufarbeitung (für den Bildungsauftrag) und gebrochene Ermittlerfiguren (für das „Leute wie Du und Ich“-Gefühl) in kritischen Privatlebensituationen (für das „Die kochen auch nur mit Wasser“-Gefühl) zeigen.
Damit kann man sich deutlich schlimmer verheben, als der Tatort gestern. Aber die Twittergemeinde lästerte mehr oder weniger nur an Schweiger rum. Dabei sei hier mal eine Lanze für den Herrn gebrochen: er hat versucht, den Redakteuren beim ARD mal ein wenig mehr Freiheiten abzuluchsen, als den Schreiberlingen sonst im Tatort gewährt werden. Mehr Experiment im Tatort führt automatisch auch zu mehr „Schwund“. Nicht jede kreative Idee ist auf der Mattscheibe auch noch cool.
Aber wenn das nun endlich dazu führt, dass mehr experimentiert wird, dann war das gestern tatsächlich ein guter Tatort, einer nämlich der allen Tatortschreibern mehr Freiheiten gibt.
Ich freue mich auf Borowski, ärgere mich inzwischen über Münster, weil der Handlung nur noch gegen Humor tauscht und sah mal die Lindholm gern. Ich finde die Rostocker Kollegen des Polizeirufs sehr gut, hab noch nie was mit den Berlinern anfangen können. Auch bei Borowski und den Rostockern twittere ich, aber da aus der Lust am Teilen. Bei den anderen um mich zu amüsieren.