Was war man früher anspruchslos. Wenn eine Maschine gebraucht wurde, dann wurde gekauft was da war. Heute muss Technik gleichzeitig gut aussehen, sehr gut bedienbar sein, immer mitgenommen werden können und immer kleiner werden.
Es gibt nur eine Geräteklasse, die sich diesen Trends nicht stellen muss: die Küchenmaschinen. Sie dürfen weiterhin groß sein. Meist auch nicht sehr intuitiv. Dafür bieten sie immer mehr Funktionen. Vergleichen Sie nur ihre alte Kaffeemaschine mit dem Automaten, der jetzt in der Küche thront.
Fernseher werden auch immer größer. Die Fläche an der Wand, die man jetzt mit den Geräten abdecken kann ersetzt im Extrem die herkömmliche Wohnzimmerschrankwand. Wurde diese früher drumherum gestaltet, ist der Fernseher nun der Wohnzimmerschrank um den vielleicht noch kleine Regale lose angeordnet werden.
Die letzte große Innovation am Fernseher scheint die Fernbedienung zu sein. Denn seither hat sich wenig geändert, dass das „Fern Sehen“ noch besser oder den Fernseher noch einfacher bedienbar gemacht hat. Im Gegenteil: jeder Fernseher kommt mit einer Fernbedienung daher, die mühelos den Vergleich mit der Armatur eines Space Shuttles stand halten kann. Oft begleitet mit kryptischen Symbolen auf kleinen Tasten, deren Funktion einem lange verborgen bleiben.
Der Ärger beginnt mit der Einstellung der Kanäle. Gelingt vieles noch mit einem einfachen Sendersuchlauf wird es problematisch, wenn man eine bestimmte Reihenfolge der Sender bevorzugt. Diese Einzurichten ist eine Qual auf Geräten, die zunächst ein intensives Studium der Bedienungsanleitung erfordert und dann eine Prozedur, die einen mühelos Tage fesseln kann. Wenn man dagegen vergleicht, welche Leichtigkeit heute mobile Endgeräte in der Bedienung bieten können und was sich mit einfachen Wischgesten dort alles anstellen läßt, so erscheint die Technik am Fernseher heute wie ein Faustkeil aus der Steinzeit.
Warum ändert sich das nicht? Warum wurden Fernseher hier nicht einfacher bedienbar? In meinem Freundeskreis häufen sich die Fälle, wo durch Tragik, Versehen oder einfach Stromausfall die Senderreihenfolge durcheinander geriet. Und so bleibt, weil die Änderung soviel Aufwand bedeutet. Gleiches gilt für die unzähligen Shopping-Kanäle, die sich nach dem Sendersuchlauf in der Programmierung des Fernsehers einnisten. Niemand nimmt den Schritt auf sich, diese eh nicht geliebten Programme wieder zu löschen und damit ein wenig mehr Überblick über die Programme zumindest teilweise zurückzugewinnen.
Stattdessen ist die meistgenutzte Taste die „Vorwärts“-Taste. Damit springt man solange durch die Programme, bis man beim gewünschten Sender landet. Gleiches Vorgehen bei der digitalen Musikbibliothek ist heute undenkbar. Das gilt auch für die eigenen Videos, die sich mittlerweile auch Massenhaft zuhause sammeln. Auch würde niemand so durch seine digitale Fotosammlung surfen. Am Fernseher ist das die Ultima Ratio. Der Faustkeil im Wohnzimmer.
Gleichzeitig locken die Fernsehgeräte mit immer neuen Auflösungen und dem Versprechen um noch bessere Bildqualität. Blöd nur, dass dennoch die Fernsehsender oft nicht hinterher kommen, was die neuen Bilder angehen. Wie lange geistert HD schon durch die Fernsehwelt und wie lange hat es gedauert, bis es so viel Programme gab, die HD unterstützten, um die Investition zu rechtfertigen – Jahre.
Als ich durch die Studios lief, die für RTL die gesamte Palette an Daily Talkshows und „Wer wird Millionär“ produzieren, da fielen mir die Fernsehkameras auf, die mir noch aus der Zeit des Kamerakindes in der ZDF Sendung „1,2,3“ bekannt waren. Auf die Frage, warum diese Technik immer noch eingesetzt wird, wo doch heute immer mehr Auflösung von den Fernsehern geboten wird, antwortete der Guide, dass diese Kameras trotz ihres Alters eine Auflösung beherrschen, die noch von keinem Fernsehgerät ausgenutzt werden kann. Für die Fernsehsender ist es daher möglich, mit dieser teils 40 Jahre alten Technik zu arbeiten, und trotzdem HDTV zu senden…
Damit wundert es nicht, dass es Tablets im Wohnzimmer gibt. Angesichts der wenig ausgereiften Möglichkeiten, mit dem Fernseher das Internet zu nutzen, war es nur eine Frage der Zeit, bis eine neue Geräteklasse das Internet für das Wohnzimmer erschließt. Blöd nur: die Tablets bringen alles, was ein Fernseher kann, gleich mit. Und machen dabei vieles besser. Das ist wie eine Konkurrenz zwischen Mp3 und Plattenspieler. Fernsehen ist nicht tot, aber die Fernsehgeräte, die einem den Zugang dazu bieten, scheinen seit Jahren in einer Art Schockstarre jeder wirklichen Innovation und Weiterentwicklung zu entsagen.
Das ist zwar auch so bei Geschirrspülern. Aber die lassen sich nicht durch Tablets ersetzen.